Neue Instrumente bürgerschaftlicher Partizipation: ­Infrastrukturgenossenschaften

HAL_T_01 – Projekt des FGZ Halle

Zielgruppe, Maßnahmen

Im Teilprojekt HAL_T_01 sollen institutionelle Bedingungen und organisationale Verfasstheit bürgerschaftlichen Engagements in Gestalt von Infrastrukturgenossenschaften in ausgewählten Kommunen und regionalen Projekten untersucht werden. Die daraus folgenden Bestandserhebungen und Analysen bilden die Grundlage für wissensbasierte Interventionen. Zentral sind dabei Formate der gleichberechtigten Koproduktion von Wissen zum Erhalt vorhandener und zur Entwicklung neuer Formate der Daseinsvorsorge, die gemeinsam bedarfsbezogen entwickelt und erprobt werden. Zur Koproduktion von Wissen gehört hierbei auch, dass Forscher*innen überregionales Wissen zu möglichen Problemlösungen recherchieren, analysieren sowie vor Ort gegebenenfalls bei der Implementation mitarbeiten. Wir gehen davon aus, dass insbesondere intermediäre Organisationen in der Regel wissen, welche ungelösten Aufgaben und Probleme sie bearbeiten und prozessieren. In innovativen Veranstaltungsformaten können Forscher*innen im Austausch mit Praktiker*innen an diesem Wissen partizipieren. Zudem sollen entsprechende Lösungswege mit aktiven Infrastrukturgenossenschaften, Vertretern der Kommunalverwaltungen sowie der Landespolitik und der Zivilgesellschaft in Workshops erörtert, Ressourcen gebunden und über mehrere Jahre weiterentwickelt werden. Als besonderer Aspekt soll auch untersucht werden, inwiefern bestehende „Standards“, d.h. normative und veraltungspraktische Vorgaben, die Durchführung von bürgerschaftlichen Initiativen hemmen. Dazu soll eine entsprechende Erhebung durchgeführt werden. Der wechselseitige Wissenstransfer soll die Akteure in die Lage versetzen, ihr Handeln wissensbasiert weiter zu entwickeln und Forscher*innen ermöglichen, ihre empirischen Befunde fortlaufend zu aktualisieren und die Folgen ihrer forschungsbasierten Interventionen zu reflektieren.

Das Teilprojekt HAL_T_01 nimmt eine zentrale Stellung innerhalb der Transferstrategie des FGZ Halle ein, weil es zusammen mit zivilgesellschaftlichen und regionalpolitischen Akteuren in koproduzierenden Formaten der public science institutionelle Verbesserungen entwickeln möchte, die die Selbststeuerungsfertigkeiten der Gesellschaft stärken. Aufgrund seiner Methodologie stellt es auch einen wichtigen Referenzfall im Rahmen der Transferausrichtung des FGZ dar.

Im Teilprojekt wird mit den Praxispartnern Kompetenzzentrum Soziale Innovation Sachsen-Anhalt, ausgewählten Infrastrukturgenossenschaften und Kommunen (u.a. Stadt Weißenfels), dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband – DGRV e.V. und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund zusammengearbeitet werden.

Zentrale Meilensteine des Teilprojektes sind Workshops zu Mehrgenerationen-Wohnungsgenossenschaften und Kultur-Infrastrukturgenossenschaften im Frühjahr 2021 ein Workshop zu sozialen Bürgergenossenschaften im Herbst 2022, die Beendung der Analyse zu Finanzbedingungen von Infrastrukturgenossenschaften im Januar 2021, die Finalisierung der Untersuchung zu Standard-Flexibilisierung Ende 2022, die Veröffentlichung des Ergebnisberichtes im November 2023.

Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt

Die kommunale Daseinsvorsorge stellt in Deutschland traditionell ein zentrales Instrument zur Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen und damit auch des gesellschaftlichen Zusammenhalts dar. Durch die Selbstverwaltung in allen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wird „vor Ort“ nicht nur die Verständigung über diese Themenfelder ermöglicht, sondern auch die Einbringung von Ideen und Prioritäten bei der Gestaltung der Lebensbedingungen gesichert. Hinzu kommt, dass die Bürger*innen direkt durch Bürgerentscheide mitwirken können. Schließlich ist auch die Zusammenarbeit mit Privaten (Public-Private-Partnerships) in diesem Bereich üblich. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben aber gezeigt, dass diese traditionellen Formen der Partizipation in mehrfacher Hinsicht nicht mehr ausreichen. Einmal fehlt es vielerorts an der ausreichenden Leistungsfähigkeit der Kommunalhaushalte, so dass freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben, vor allem kulturelle Angebote, nicht fortgeführt werden können. Zum anderen empfinden die Bürger*innen die punktuelle Beteiligung durch Bürgerentscheide als unzureichend und suchen nach Möglichkeiten nachhaltiger Teilhabe. In beiden Bereichen eröffnet die Infrastrukturgenossenschaft Pfade einer nachhaltigen Teilhabe und verbessert zudem die finanziellen Grundlagen für die Koproduktion öffentlicher Güter. Dabei kann zwischen reinen Bürgergenossenschaften und durch Bürger*innen und Kommunen gemeinsam getragenen Genossenschaften unterschieden werden. Wenn die Kommunen dieses Instrument gezielt einsetzen, können sie auch soziale Innovation und Vielfalt verbessern. Da ein wichtiger Aspekt für die Gründung und Unterhaltung von Infrastrukturgenossenschaften auch deren Förderung darstellt, wird speziell untersucht, welche normativen Rahmenbedingungen (Standards) gegebenenfalls hinderlich sind und angepasst (flexibilisiert) werden sollten.

Projektleiter*innen und Kontakt

Laufzeit, Cluster und Forschungsfelder

Laufzeit:

06 / 2020 – 05 / 2024

Cluster und Forschungsfelder:

Publikationen

[Open Access] Die Förderung der regionalen Kulturlandschaft als mitgliederbezogener Förderzweck im Sinne des §1 Genossenschaftsgesetz (GenG)

[Open Access] Die Förderung der regionalen Kulturlandschaft als mitgliederbezogener Förderzweck im Sinne des §1 Genossenschaftsgesetz (GenG)

Pascal Schwarzer
Genossenschaften haben sich ab dem 19. Jahrhundert in ganz Europa entwickelt. Dabei ist festzustellen, dass Genossenschaften in den einzelnen Regionen Europas unterschiedlich verstanden werden. Die verbindende Gemeinsamkeit aller Genossenschaften ist der demokratische Zusammenschluss einer unbestimmten Vielzahl von Personen, die gemeinschaftlich einen bestimmten Zweck fördern möchten. Unterschiede bestehen aber darin, wer von dem geförderten Zweck profitieren soll. In Deutschland sind Genossenschaften nach dem von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch geprägten Leitbild als Selbsthilfevereine allein auf die Förderung ihrer Mitglieder beschränkt. Demgegenüber können Genossenschaften im französisch-italienischen Modell auch Gemeinwohlbelangen fördern. Doch auch in Deutschland wächst in den letzten Jahren, bestärkt durch die Reform des § 1 GenG im Jahr 2006, das Bedürfnis nach gemeinwohlorientierten Genossenschaften, wie beispielsweise Kulturgenossenschaften. Der Beitrag untersucht dabei zwei mögliche Förderzweckbestimmungen, mit denen Kulturbetriebe unter den Genossenschaftsbegriff des § 1 GenG gefasst werden könnten.» Details zum Projekt
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