Konflikt und Sicherheit

Im Forschungsfeld Konflikt und Sicherheit werden Projekte versammelt, die das ambivalente Verhältnis von Sicherheit und Zusammenhalt analysieren.

Soziale Konflikte bergen stets eine gewisse Ambivalenz. Sie können zu produktiver Verunsicherung über die Änderungsbedürftigkeit bestehender Regeln führen und damit soziale Innovationen befördern. Sie können aber auch primär als Risiko empfunden werden, weil man im Konflikt verlieren, Nachteile erleiden oder geschwächt werden könnte. Konfliktvermeidung, Rückzug und immer neue Sicherheitsforderungen an den Staat scheinen dann eine naheliegende Reaktion zu sein. Damit einhergehende Prozesse der „Versicherheitlichung“ können den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohen, wenn sie bestimmte Bevölkerungsgruppen stigmatisieren oder überzogene Erwartungen an die staatlichen Sicherheitsinstitutionen wecken, die nicht eingelöst werden können.

Konflikthafte Prozesse

In modernen, komplexen Gesellschaften kann niemals völlige Sicherheit gewährleistet werden. Deshalb kommt es vor allem darauf an, das Risiko von destruktiven Unsicherheitsgefühlen und Misstrauen zu minimieren und gleichzeitig das produktive Unsicherheitspotential sozialer Konflikte zu bewahren. Das gelingt weniger durch die häufig geforderte kontinuierliche Verschärfung von Strafgesetzen oder die Erweiterung von präventiven Eingriffsbefugnissen der Sicherheitsbehörden, sondern durch die ständige Generierung von Vertrauen. Im Zentrum steht dabei nicht so sehr das vertikale Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und Integrität der rechtsstaatlichen und demokratischen Institutionen, sondern vielmehr horizontales Vertrauen als einer Form von Sozialkapital, das von den beteiligten Gruppen und Individuen unter bestimmten Umständen in den konflikthaften gesellschaftlichen Prozessen selbst hervorgebracht und immer wieder erneuert wird. Nur durch dieses Vertrauen ist es möglich, sich auf Konflikte mit Fremden einzulassen, ohne dass dies von einer der Parteien als bedrohlich empfunden wird und Angstgefühle auslöst. In dem Maße, wie die Konfliktbeteiligten wechselseitig unterstellen können, dass auch konträre gruppenspezifische Rechtfertigungsnarrative ein geteiltes framework von konfliktermöglichenden Normen enthalten, verringert sich das Risiko destruktiver Folgen eines Konflikts.

Konflikte und Mangel an Vertrauen

Die Projekte im Forschungsfeld Konflikt und Sicherheit spüren diesen Ambivalenzen von Konflikten nach und analysieren zunächst, wie ein Mangel an Vertrauen sich auf Konfliktbereitschaft und - verläufe auswirkt. Das Projekt BIE_F_01 synthetisiert die vielfältigen Forschungsarbeiten am Standort Bielefeld zum Zusammenhang von Konflikt und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dabei geht es davon aus, dass die Auswirkungen von Zusammenhalt auf gesellschaftliche Konflikte zwischen verschiedenen Typen von Zusammenhalt variieren. Das Projekt untersucht konkret die Hypothese, dass bestimmte Formen destruktiven Zusammenhalts, die auf Abwertung und Exklusion beruhen, wie sie etwa das Projekt BIE_F_07 erforscht, regelmäßig Konflikte erzeugen, während andere Formen konstruktiven Zusammenhalts dabei helfen können, Konflikte zu vermeiden. Das Projekt JEN_F_03 interessiert sich für den umgekehrten Zusammenhang, wie sich Konflikte, Exklusionserfahrungen und Gewalt auf gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirken. Es untersucht Exklusionserfahrungen marginalisierter Gruppen bis hin zur Hasskriminalität und fragt, welche Folgen solche extremen Formen der Ausgrenzung für das Zugehörigkeitsgefühl der Opfer, ihrer sozialen Gruppen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt haben. Dem Zusammenhang von Konflikt und sozialer Integration spürt das Projekt FRA_T_01 aus der Transferperspektive nach. Unter dem Motto „Frankfurt streitet!“ entwickelt es drei dialogisch angelegte Veranstaltungsformate, die das Ziel haben, die Bedeutung einer Konfliktkultur des produktiven Streits für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu vermitteln und praktisch erfahrbar zu machen.

Während das Jenaer Projekt die desintegrativen Folgen von gewaltsamen Konflikten und Unsicherheit herausarbeitet, geht das Projekt FRA_F_06 der These nach, dass Zusammenhalt unter modernen Bedingungen nicht nur von zu wenig Sicherheit bedroht wird, sondern auch von einem Zuviel an Sicherheit, wenn es die Möglichkeiten der produktiven Konfliktaustragung unterminiert. In diesem Projekt wird mithin die Frage in den Blick genommen, wie staatliche Institutionen und Verfahren im Bereich der Sicherheit Vertrauen generieren. Das interdisziplinäre Vorhaben aus Politik- , Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie geht dem Konnex von Sicherheit, Vertrauen und gesellschaftlichem Zusammenhalt in den Arenen der Migrationspolitik, des Straf- und des Polizeirechts nach. Bei jeder dieser Fallstudien steht die Frage im Mittelpunkt, wie sich unterschiedliche Balancen von Sicherheitsgewährleistung und Konfliktermöglichung auf den sozialen Zusammenhalt auswirken.

Hier finden Sie eine Liste aller Forschungs- und Transferprojekte.

Forschungsprojekte

BIE_F_01
Zusammenhalt und Konflikt: Wissenschaftliche Koordination und Zusammenführung
» Projektbeschreibung
BIE_F_07
Die Genese populistischer Dispositionen in Jugendmilieus
» Projektbeschreibung
FRA_F_06
Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt
» Projektbeschreibung