Einheit herstellen: Das Integrationsdispositiv und seine Begriffe in der deutsch-deutschen, britischen und französischen Gesellschaft im langen 20. Jahrhundert

LEI_F_02 – Projekt des FGZ Leipzig

Zielsetzung / Fragestellung

Das Projekt LEI_F_02: Einheit herstellen: Das Integrationsdispositiv und seine Begriffe in der deutsch-deutschen, britischen und französischen Gesellschaft im langen 20. Jahrhundert untersucht, wie verschiedene Länder (Bundesrepublik Deutschland, DDR, Frankreich und Großbritannien) in der Vergangenheit auf die Herausforderung der nationalstaatlichen Ordnung durch politischen und gesellschaftlichen Wandel reagierten und auf welche Weise sie versuchten, Zusammenhalt und Einheit herzustellen. Dass sich gesellschaftliche Transformationen in dem veränderten Gebrauch von Begriffen verdichten, gehört zu den zentralen Erkenntnissen der Historischen Semantik, die sich das Projekt zunutze macht: Es werden die unterschiedlichen Semantiken der Integration, die sich darin jeweils artikulierenden Ordnungsvorstellungen sowie die Konflikte über die Herstellung einer Nation, Gesellschaft oder Gemeinschaft in vergleichender und historischer Perspektive für das lange 20. Jahrhundert analysiert. Neben dem (differenzierenden) Vergleich werden auch begriffliche Transfers und Konvergenzen in der sich zunehmend internationalisierenden Debatte untersucht.

Das Projekt leistet damit einen Beitrag sowohl zur begriffshistorischen Reflexion auf zentrale Begriffe, mit denen die Herstellung von gesellschaftlichem Zusammenhalt umschrieben wird (wie Integration, Assimilation, Akkulturation), als auch zu einer historisch-vergleichenden Kontextualisierung gesellschaftlicher Selbstverständigungsdebatten. Indem es Unterschiede und Austauschprozesse innerhalb Westeuropas fokussiert, erweitert das Projekt den Blick über den deutschen Fall hinaus; durch den deutsch-deutschen Vergleich nimmt es aber auch Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen liberal-demokratischen und sozialistischen Gesellschaften in den Blick.

Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt

Gesellschaftlicher Zusammenhalt war und ist nie gegeben, sondern er muss stets hergestellt werden. Der Bezug auf eine Gesellschaft oder eine Nation war dabei immer an sich verschiebende Vorstellungen der Integration oder Fragmentierung und an unterschiedliche Vorstellungen der Herstellbarkeit von Einheit gebunden. Dass es Nationalstaaten im frühen 21. Jahrhundert im Zeichen von Migration, sozialer Fragmentierung und globalisierter Kommunikation sichtlich schwerer fällt, Zugehörigkeit als selbstverständlich erscheinen zu lassen und die gängigen Techniken der Herstellung von Zusammenhalt und Einheit an ihre Grenzen geraten, gehört dabei zu den zentralen Annahmen aktueller Globalisierungsdebatten. Um das vermeintlich Neue und Spezifische dieser gegenwärtigen Konfiguration einkreisen zu können, plädiert das Projekt für eine historische Herangehensweise. Die discourses of newness, in denen behauptet wird, wir lebten unter völlig geänderten Vorzeichen, können so mit einer quellengestützten, die historische Tiefendimension gegenwärtiger Probleme einbeziehenden Perspektive konfrontiert werden.

Die Kombination von Historisierung und Vergleich erlaubt es, die Kontextabhängigkeit von Integrationskonzepten (und verwandten Begriffen des gesellschaftlichen Zusammenhalts) sichtbar zu machen und dadurch ihre Implikationen und politischen Intentionalitäten herauszuarbeiten. Eine Perspektiverweiterung über den deutschen Fall hinaus und eine Analyse der Genese von Konzepten und Praktiken zur Herstellung sozialer Kohäsion sind gleichermaßen notwendig, um eine historisch valide und systematisierende Typologie gesellschaftlichen Zusammenhalts zu entwickeln.

Publikationen

Révolution

Révolution

Matthias Middell
In: Histoire globale des socialismes: XIXe-XXIe siècle, hg. von Jean-Numa Ducange, Razmig Keucheyan, Stéphanie Roza und Gilbert Achcar. , 542–543. Paris: PUF, Presses Universitaires de France» Details zum Projekt

Neue Dynamiken oder das Ende der Globalisierung?

Matthias Middell
In: Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen I, hg. von Matthias Middell. , 7–14. Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen I. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag» Details zum Projekt
„Hochschulumbau Ost“. Lange Dauer, unterschiedliche Perspektiven, neue Kontexte

„Hochschulumbau Ost“. Lange Dauer, unterschiedliche Perspektiven, neue Kontexte

Matthias Middell
In: Hochschulumbau Ost: die Transformation des DDR-Hochschulwesens nach 1989/90 in typologisch-vergleichender Perspektive, hg. von Jens Blecher und Jürgen John. , 125–146. Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Jena Band 16. Stuttgart: F. Steiner» Details zum Projekt
Erklärungen des revolutionären Umbruchs: Von internen gesellschaftlichen Entwicklungen zu globalen Verräumlichungsprozessen

Erklärungen des revolutionären Umbruchs: Von internen gesellschaftlichen Entwicklungen zu globalen Verräumlichungsprozessen

Matthias Middell
In: Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen I, hg. von Matthias Middell. , 179–202. Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen I. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag» Details zum Projekt
Die ‚Mediterranisierung’ der Innenstädte. Stadträumlicher Wandel durch migrantische Gastronomie

Die ‚Mediterranisierung’ der Innenstädte. Stadträumlicher Wandel durch migrantische Gastronomie

Maren Möhring
In: Arbeit & Migration: Geschichten von hier: Katalog zur Grossen Landesausstellung 2021, Baden-Württemberg, hg. von Technoseum Mannheim. , 88–99. Darmstadt: WBG Theiss, ein Imprint der WBG» Details zum Projekt

Cross-Cultural Comparison in Times of Increasing Transregional Connectedness: Perspectives From Historical Sciences and Area Studies on Processes of Respatialization

Matthias Middell
In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research: Vol. 22 No. 2 (2021): The Refiguration of Spaces and CrossCultural Comparison IForum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research» Details zum Projekt

Fleischkonsum und Fleischverzicht/ Ernährung im Kontext des aktuellen Fluchtgeschehens

Maren Möhring und Jana Rückert-John (Hrsg.)
Jahrbuch für Kulinaristik Band 3. München: Iudicum» Details zum Projekt
Raumimaginationen und Verräumlichungsprozesse

Raumimaginationen und Verräumlichungsprozesse

Maren Möhring, Gabriele Pisarz-Ramirez und Ute Wardenga
In: Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen I, hg. von Matthias Middell. , 101–148. Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen I. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag» Details zum Projekt
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